BERLINER SCHLOSS – HUMBOLDT FORUM

Wettbewerbsentwurf  2008:  Franco Stella  Mitarbeiter: Michelangelo Zucchini (Siegerentwurf)
Planung und Bauleitung: Franco Stella Humboldt-Forum PG (Projektgesellschaft zwischen Franco Stella Architetto, Hilmer & Sattler und Albrecht, Baumanagement Berlin)
Realisierung  2012-2020

Ein Lehrer der Stadtgeschichte

Das Berliner Schloss, 1443 als Residenz der brandenburgischen Fürsten entstanden, wurde zu Beginn des 18. Jahrhunderts teilweise in den barocken Palast der preußischen Könige, später auch deutscher Kaiser, umgebaut. Im Zweiten Weltkriegs schwer beschädigt, wurde 1950 aus ideologischen Gründen von den politischen Machthaber der DDR gesprengt.

Das vom Schloss befreite Areal, zuerst als Roter Platz Berlins genutzt, war ab 1975 teilweise vom Palast der Republik besetzt, der bis zum Fall der DDR in Funktion blieb und etwa zwanzig Jahre später abgerissen wurde.

Die nun rekonstruierten Barockfassaden des Schlosses suggerieren, dass es der Erstgeborene in seinem städtischen Kontext war, und damit die Referenz für die wichtigsten Orte und Gebäude des monumentalen historischen Zentrums Berlins: zumal der triumphalen Achse Unter den Linden, die sich vom Schloss bis zum Brandenburger Tor erstreckt, oder der Museumsinsel, die in seinem Lustgarten entstanden ist.

In der "Stadt der Repräsentation" der preußischen Souveräns, deren architektonischer Regisseur gewesen war, kehrt das Schloss als Meister der Stadtgeschichte zurück.

 

Eine Kombination aus re-konstruiertem Alten und neu-konstruierter Moderne

Das neue Schloss – der den Brüdern Humboldt gewidmete "Treffpunkt mit den Kulturen der Welt“ – ist ein enheitlich konzipiertes, barockes und modernes Gebäude.Es präsentiert sich als eine Kombination von vollendeden Orten, die aus re-konstruiertem Alten und neu-konstruierter Moderne bestehen: Alt ist der im späten 17. / frühen 18. Jahrhundert von Schlüter und Eosander entworfene Sclossbauteil– etwa ein "Meisterwerk des europäischen Barocks", nach Schinkel – und die später gebaute Kuppel von Stüler; Neu ist ein moderner Weiterbau, der als Ergänzung eines aus dem realen stammenden idealen Gebäude konzipiert ist. Dem Stil ausgenommen, sieht es so aus, als ob Alt und Neu komplementäre Bestandeile eines selben tipologischen und urbanen Fakt von Anfang an wären. Die Rekonstruktion, vom Deutschen Bundestag 2002 beschlossen und vom Wettbewerbsprogramm 2008 bestätigt–betrifft die Stereometrie des Barockschlosses und seine zur Stadt und zum östlichen Innenhof gerichteten Fassaden, sowie die Stereometrie der Kuppel. Aus einer entwurflichen Entscheidung erfolgte die Rekonstruktion der Durchgangsatriums und der Fassade dreier Portale des westlichen Hofs (Eosanderhof), sowie der Fassade der Kuppel.Die Neukonstruktion, beziehungsweise der moderne Weiterbau, besteht aus fünf Baukörpern: einer an der Stelle des früheren vorbarocken Spreeflügels, die vier anderen im Areal des ehemaligen Eosanderhofs.Palast, Stadttor, Piazza und Theater sind die eindeutig wiedererkennbare Orte, die die Architektur des Alten und des Neuen inspirieren: die Architektur des Gebäudes, sowie die seiner drei Innenhöfe.

 

Ein Palast mit sechs Portalen-Stadttoren und drei Höfen-Plätzen

Der neue Spreeflügel vervollständigt das rekonstruierte Schloss in Form einer vierflügeligen Palastanlage, der Schlüters ursprünglichen, auf italienischen Renaissance Vorbildern basierende Idealvorstellung des barocken Schlosses folgend. Die Dimension und die Prinzipien der Gestaltung der Fassade stimmen mit denjenigen der drei rekonstruierten Flügel überein. Durch die außerordentlichen Größe und Tiefe der Fensteröffnungen sieht die Front zur Spree wie eine Loggienfassade aus, die auf den öffentlichen Charakter des Gebäudes hindeutet.  

Die vier neuen, im ehemaligen Eosanderhof errichteten Baukörper ergänzen den Schlüterhof zu einer Theater-Piazza und bilden zwei neue Höfe, welche in Beziehung mit den als Stadttore rekonstruierten Portale treten: Die Schloss-Passage, deren ‘via colonnata’ ein antikes Forum evoziert, und das Große Foyer, das durch sein rekonstruiertes Triumphsbogen-Portal als Bühnenfront und die neuen Galerien als Logen, an ein Theater erinnert.

Zusammenfassend, kann man das neue Berliner Schloss als eine „Stadt in Form eines Palastes“ beschreiben: beziehungsweise als ein Stadtquartier für Millionen jährlicher Besucher aus aller Welt, und das alltägliche Leben Tausender Berliner. Durch seine immer offenen Portale verbinden sich die äußeren Plätze mit den inneren Höfen in einem großzügigen öffentlichen Raum inmitten Berlins.

 

Die Fassade aus Mauern und Säulen

Die moderne sowie die alte Fassade präsentieren sich oftmals wie eine Kombination aus Mauerwänden und Säulen: die einen stehen für die eigentliche Konstruktion, die anderen für das Ornament, jenes Ornament, das in der klassischen Tradition für die Bauwürde und den Stadtdekor stand. Die Mauerwand ist eine dreischichtige Konstruktion, mit einer tragenden Stahlbetonwand, einer Wärmedämmschicht und der eigentlichen Fassadenwand. Die barocke Fassade ist ein massives Ziegelmauerwerk mit einer durchschnittlichen Dicke von 65 cm: eine selbsttragende Konstruktion (und keine hängende Maske), die eine Wand ohne sichtbare Fugen ermöglicht; Säulen und Architraven der Portale, Fensterleibungen, Friesen und Gesimse  wurden durch Hinzufügen von Natursteinstücken mit gleicher Größe, Form und Materie der verlorenen Originale rekonstruiert.  Die moderne Fassade präsentiert sich mit großen vorgefertigten Platten und monolithischen Säulen und Architraven aus weißem Stahlzement mit hellem Sandstein gemischt.

 

Die Werkstücke aus Sandstein

Einige Steinstücke ​​wurden unter Beibehaltung ihres heutigen Zustands restauriert, die meisten wurden in ihrer ursprünglichen Vollständigkeit rekonstruiert.

Die restaurierten Steine sind meist versehrte, durch eine nicht mehr entfernbare Patina der Zeit geschwärzte Figuren: Einige kehrten an ihre ursprüngliche Stelle, als Reliquien des Originals in das aus dem Nichts rekonstruierten Schloss, zurück; andere, die zu beschädigt sind, um ins Freie zurückzukommen, befinden sich nun in inneren Ausstellungsräumen. Fast alle behauenen Steine, die außen waren, wurden rekonstruiert: Einige, wie Statuen oder Hochreliefs, sind Einzelstücke, die von der Hand des Bildhauers hergestellt wurden; die vielen anderen, wie Friese, Rahmen oder Kapitelle – insgesamt dreitausend Stücke –  wurden industriell hergestellt, als Kopien der mehr als dreihundert Modelle, die zuerst aus Ton und dann aus Gips in der sogenannten Schlossbauhütte von zahlreichen Bildhauern und Steinmetzarbeiten gestaltet wurden.

 

Die Innenräume

Die Innenräume wurden entsprechend ihrem neuen Zweck modern gestaltet und ausgestattet; die Anordnung der Säulen und Balken achtet darauf, die Möglichkeit der künftigen Rekonstruktion der Räumlichkeiten besonderes historisch-künstlerischen Wertes nicht zu verbauen.

Etwa eine Hälfte der insgesamt 42.000 qm großen Nutzfläche steht für die Ausstellungsräume der Sammlungen des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst zur Verfügung; etwa 10.000 qm für Räumlichkeiten des allgemeinen öffentlichen Interesses.

Im Erdgeschoss befinden sich die Treppenhalle und das Große Foyer, das Auditorium, der Multifunktionssaal, die Wechselausstellungen, das Museum des Ortes, sowie der Skulpturensaal, Bookshops, Restaurants und Cafés; im ersten Obergeschoss ein spezielles Museum Berlins, die Humboldt Akademie und die wissenschaftlichen Sammlungen der Humboldt-Universität; im zweiten und dritten Obergeschoss, das Ethnologisches Museum und das Museum für Asiatische Kunst.

Das Untergeschoss und das Dachgeschoss, insgesamt 16.000 qm Fläche, stehen für die Technik zur Verfügung; auf einer Fläche von 1.500 qm im Untergeschoss befinden sich die öffentlich begehbaren Überreste des Schlosskellers.

Auf dem Dachgeschoss tritt das Neubauteil ‘Nord-Kubus‘ in Form eines Pavillons hervor, umgeben von einer auf die Stadt blickenden Belvedere-Terrasse.